Der ERTA-Kongress fand vom 15.– 17. September 2023 in der Bundesakademie Trossingen statt.
Artikulation, Rhythmus, Besetzungspraxis und herausfordernde Schüler*innen: Mit sehr unterschiedlichen Themen gibt der ERTA-Kongress didaktische und methodische Impulse für eine lebendige Unterrichtspraxis, lässt Bekanntes in einem anderen Licht erscheinen und regt zur Reflexion der eigenen Tätigkeit an. Beim gemeinsamen Musizieren im Kongressorchester wird die Entwicklung in der Besetzungspraxis demonstriert. Samstagabend konzertiert das Landesjugendblockflöten-Orchester Baden-Württemberg, eine offene Probe gibt Einblicke in das Arbeiten mit einem Jugendorchester. Begleitend stellen Flötenbauerinnen und -bauer, Verlage und Händlerinnen und Händler ihr Sortiment vor. Die großzügige räumliche Ausstattung der Bundesakademie lädt zu einem lebendigen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ein.
Die unerkannte Kraft der Blockflöte und warum die Welt sie heute braucht
Impulsvortrag mit Prof. Peter Vierneisel
Theoretischer Hintergrund und praktische Ideen für den Blockflötenunterricht mit Madeleine Imbeck
Seit mehr als einem Jahrhundert werden die Ursachen und Symptome von Legasthenie, Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität und anderen Lernstörungen erforscht. Bis heute gibt es keine umfassende Erklärung für die Entstehung einer Lernstörung. Menschen mit Lernstörungen haben einen anderen Wahrnehmungsstil und interagieren auf andere Weise mit ihrem Umfeld.
Instrumentalunterricht als unterstützende Intervention für Kinder mit Lernschwächen bietet sich deshalb an, weil Defizite in Rhythmik, Motorik, Gleichgewicht und Koordination für Lernstörungen verantwortlich gemacht werden. Es ist für Kinder sehr anspruchsvoll, ein Musikinstrument spielen zu lernen. Sie werden mit allen Sinnen gefordert. Solch multisensorisches Lernen wird für Kinder mit Lernschwächen ebenfalls empfohlen. Da das Blockflötespiel meist im Einzel- oder Kleingruppenunterricht gelehrt wird, können wir als Lehrpersonen flexibel auf die Bedürfnisse unserer Schüler*innen reagieren und ihnen eine wertvolle Stütze sein bei der Entwicklung von eigenen Lernstrategien und Selbstvertrauen.
Im Vortrag wird Hintergrundwissen aus den Bereichen Heilpädagogik, Psychologie und Neurowissenschaften vermittelt. Dieses Hintergrundwissen entlastet die Schüler*in-Lehrer*in-Beziehung und hilft dabei, erfolgreich zu kommunizieren, passende Lernziele festzusetzen und geeignete Methoden zu finden.
Zwei Workshopeinheiten mit Bernd Niedecken
Wie können wir das Erlernen rhythmischer Strukturen vereinfachen und als synästhetisches Phänomen erfahrbar machen? In vielen Musikkulturen werden dafür Silben, Tanzschritte, Bodypercussion und die zumeist handwerklichen Alltagspraktiken genutzt. Rhythmische Arbeitsprozesse wie Sensen, Sägen, Hobeln und Hämmern prägen tief die menschlichen Bewegungsmuster. Einfache Silben imitieren die Klänge von Trommeln: Ta, Ki, Dum, Pah, tak, taka… Oder von Kastagnetten: Pi, ta, riá, tschin…
Durch das Rezitieren solcher Silben in Kombination mit Schritten und Klatschen lassen sich alle Rhythmen der abendländischen Musik bis hin zu komplexen Polyrhythmiken körperlich umsetzen und leicht erlernen. In diesem Kurs wird es darum gehen, solche "Abkürzungen" in die faszinierende Welt des Rhythmus und der Musik zu entdecken und für die pädagogische Praxis nutzbar zu machen. Ganz ohne Noten und Instrument, aber mit Stimme, Händen, Füßen, Säge, Hammer und was sonst noch hilfreich ist.
Workshop mit Ilse Strauß
Wie gelingt es, eine Blockflötenklasse aufzubauen, in der sich viele Dinge „ganz von selbst“ regeln? Wie kann ich auf Eigenverantwortung meiner Schüler setzen? Wie ihre Identifikation mit der Blockflöte stärken?
mit Daniela Schüler und Bettina Haugg-Scheu
Einblicke in die Probenarbeit mit dem LJBFO mit der Möglichkeit, sich im Kolloquium persönlich über das Orchester und seine Arbeit zu informieren.
Workshop mit Ilse Strauß
Für den Unterricht relevante Themen wie Kommunikation, Lob, Nähe – Distanz werden humorvoll unter die Lupe genommen.
Workshop mit Heida Vissing
Fantasievolles Musizieren mit Witz und Humor nicht nur für Ensemble und Orchester
Blockflötenmusik für Klein und Groß, Anfänger und Fortgeschrittene, sowie alle, die sonst noch Lust haben auf schöne Musik!
mit Heida Vissing
Johanna Pommranz "Kokopelli" - oder die Sehnsucht der Götter nach Regen
Alan Davis: "Windways" - Wind... in the North ... in the South ... in East ...in the West
mit Heida Vissing
„Ave Maria" - faszinierende Begegnungen und dazu dem Klang auf der Spur
Rock und HipHop dominiert die Playlist, die Peergroup findet Flöte uncool und Social Media-Konsum verhindert regelmäßiges Üben? Austauschforum zu Literatur, Unterrichts- und Konzertformaten und anderen Ideen, um Jugendliche während der Pubertät bei der Stange zu halten.
Vorstellung von Projekten, Schülerkonzerten, Aufführungen in eigener oder fachübergreifender Zusammenarbeit verschiedener Lehrkräfte
Nach Lust und Laune zum Ausprobieren neuer Literatur
Während der gemeinsamen Mahlzeiten und beim abendlichen Barbetrieb bieten sich vielfältige Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch.
Informationen und Anschauungsmaterial
Background: Jacob van Eyck und die Braille-Musik-Notation
Das »Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen« (»dzb lesen«) überträgt den »Fluyten Lust-hof« des Jacob van Eyck in die Braille-Musik-Notation, um diese Noten blinden Blockflötistinnen und Blockflötisten weltweit zugänglich zu machen. Der Förderverein des »dzb lesen« unterstützt dieses wichtige Editionsprojekt und bietet ergänzend kurze, praxisnahe Einführungen (»Schnupperkurse«) in die Braille-Musik-Notation für Blockflötenpädagoginnen und -pädagogen an. Im Raum Tübingen und Freiburg haben sich zudem engagierte Blockflötist*innen, Kirchenmusiker*innen und Gemeinden gefunden, die sich mit kleinen Benefizmusiken zum Werk Jacob van Eycks für dieses spannende Leipziger Projekt einsetzen.
Weitere Infos beim Förderverein »Freunde des barrierefreien Lesens e.V.«
Das Landesjugendblockflöten-Orchester Baden-Württemberg musiziert Werke von Clément Janequin, Markus Zahnhausen, Jörg Partzsch, Raphael B. Meyer u.a.
Leitung: Daniela Schüler und Bettina Haugg-Scheu
Ausstellung in der Bundesakademie